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Philipp Schwander in den Medien
«Naturwein riecht oft nach Sauerkraut» – Interview in der Handelszeitung
Der Weinpapst und Inhaber von Selection Schwander über einige der besten Schweizer Weine, wie er zu seinem eigenen Weingut im Priorat kam und was er von Bio- und Naturweinen hält.
Grundsätzlich ist das Qualitätsniveau in der Schweiz ausserordentlich stark gestiegen. Mittlerweile gibt es vielerorts empfehlenswerte Weine. Die beispielsweise zurzeit deutlich aufstrebende Drei-Seen-Region bringt am Bieler- und am Murtensee sortenreine Weissweine wie Sauvignons blancs, am
Neuenburgersee Pinots gris und Chasselas hervor – insbesondere aber superbe Pinots noirs nach Burgundervorbild.
Welche Trends können Sie erkennen?
In der Schweiz versucht man überwiegend, beste Weine aus
der Rebsorte Pinot noir zu erzeugen. Aber auch aus der Chasselas-Traube werden inzwischen ganz hervorragende Gewächse gekeltert. Diese Traubensorte wurde bisher etwas unterschätzt. Insgesamt kann man feststellen, dass sich viele
Winzer erfreulicherweise auf die einheimischen lokalen Rebsorten konzentrieren. Die Merlot- und Cabernet-Geschichten
sind etwas in den Hintergrund getreten.
Welche Chasselas können Sie besonders
empfehlen?
Es gibt eine ganze Reihe von guten Winzern, die sehr schöne
Chasselas-Weine produzieren. Zu nennen sind sicherlich
Bovard aus dem Kanton Waadt oder auch Marie-Thérèse
Chappaz und Denis Mercier aus dem Wallis.
Welche Schweizer Weine sollten passionierte Sammler
unbedingt im Keller haben?
Die Qualität von Gantenbein- oder Donatsch-Weinen ist ja
schon lange bekannt. Der absolute Kracher aktuell sind
sicherlich die Gewächse von Jacques Tatasciore; allerdings
handelt es sich hierbei auch um den momentan teuersten
Pinot. Ausserdem sehr interessant finde ich, dass nun sogar
aus dem Kanton St. Gallen bemerkenswerte Weine kommen. Früher wurde diese Region ja schlicht ignoriert und
viele wissen nicht einmal, dass dort überhaupt Wein angebaut wird.
Beispiele für gute Weine aus dieser Region?
Da sind Roman Rutishauser, Stefan Hörner, Andreas Stössel
(Weingut Schmidheiny) und Kaspar Wetli aus dem Kanton
St.Gallen anzuführen, deren Weine sind wirklich ausgezeichnet.
Philipp Schwanders spontane, unvollständige Auswahl
einiger Schweizer Topweingüter
Drei-Seen-Region
Jacques Tatasciore; Domaine de Cressier, Grillette;
Domaine de Chambleau; Domaine des Landions,
Christian Vessaz.
Genf
Jean-Pierre Pellegrin
Wallis
Marie-Thérèse Chappaz; Denis Mercier; Sarah und
Gérald Besse; Jean-René Germanier (die Topweine);
Clos de Tsampéhro; Philippe Darioli, Thierry Constantin, Sandrine Caloz; Valentina Andrei; Raphaël Maye
(Simon Maye); Joseph Vocat.
Waadt
Louis-Philippe Bovard; Henri Cruchon; Raymond
Paccot, Domaine Blaise Duboux; Pierre-Luc Leyvraz.
Tessin
Kopp von der Crone; Ivo Monti; Gialdi, Mike Rudolph;
Giorgio Rossi.
Deutschschweiz
Georg Fromm; Gantenbein; Donatsch; Burkhart,
Weinfelden; Studach; Weingut Schmidheiny und
Höcklistein; Obrecht, Jenins; Pelizzatti; Manfred Meier,
Zizers; Hansruedi Adank; Zahner, Truttikon, Erich
Meier; Peter Wegelin.
«Aus der Chasselas-Traube werden inzwischen
hervorragende Gewächse gekeltert.»
Was erwarten Sie generell vom Jahrgang 2023?
Der 2023er ist ein Jahrgang der Extreme und Herausforderungen. Im Juli und August war es teilweise sehr kalt und danach
wieder sehr heiss; partiell war es entweder enorm trocken oder
überaus regnerisch. Dass der Herbst verbreitet mit prächtigem
Wetter aufwartete, hat das Jahr in vielen Regionen noch gerettet. Allerdings nicht überall – die Toskana beispielsweise hat
weniger Glück gehabt.
Wie entwickeln sich die Preise weltweit?
Im Luxussegment sind die Preise in den vergangenen Jahren,
nicht zuletzt auch wegen der niedrigen Zinsen, markant gestiegen. Viele haben Wein als Investment gekauft, was ich persönlich immer etwas problematisch finde. Dieser Trend
schwächt sich jetzt glücklicherweise ab, gerade bei den preislich überrissenen Burgundern ist klar erkennbar, dass die Preise nachgeben.
Mit über einer Million Flaschen sind Sie einer der grössten
Weinimporteure der Schweiz. Seit einigen Jahren besitzen
Sie zudem in Spanien ein eigenes Weingut – wie kam es dazu?
Das ist einem glücklichen Zufall zu verdanken. Als Raimon
Castellví, ein hervorragender Winzer aus dem Priorat, dessen
Weine ich schon lange importiere, vor ein paar Jahren bei mir
zu Besuch war, wirkte er sehr deprimiert. Ich befürchtete
schon, seine Frau habe ihn verlassen, aber wie sich herausstellte, ging es um einen 2 Hektar grossen Rebberg, den ein enger
Freund aus gesundheitlichen Gründen verkaufen musste. Da
es sich dabei um eine der besten Lagen des Priorat mit über
hundert Jahre alten Rebstöcken handelte, hauptsächlich Grenache und Carignan, trieb es ihn um, dass er nicht imstande
war, den Rebberg selber zu erwerben. Also sprang ich ein.
Beabsichtigen Sie, mit eigenen Weingütern ein zweites
Standbein aufzubauen?
Nein, überhaupt nicht. Dieser Rebberg im Priorat ist wirklich
nur ein Steckenpferd von mir. Beim Kauf stellte ich Castellví
die Bedingung, dass wir gemeinsam den bestmöglichen Wein
produzieren werden, und zwar ohne Rücksicht auf kommerzielle Überlegungen.
Das scheint zu funktionieren. Ihr Sobre Todo
gilt inzwischen als einer der besten Priorat-Weine.
Wie haben Sie das geschafft?
Das ist vor allen Dingen die exzellente Lage und das Verdienst
von Raimon Castellví. Er hat diesen Wein zusammen mit dem
wohl erfahrensten Priorat-Önologen, Fernando Zamora, gekeltert. Mein Anteil besteht lediglich darin, sicherzustellen,
dass wirklich nur die allerbesten Partien abgefüllt werden
und dass der Stil des Weines stimmt. Dazu eine Zahl: Normalerweise könnten Sie aus 2 Hektaren Rebberg etwa 12 000 Flaschen Wein produzieren. Durch unsere kompromisslose
Qualitätsfixierung und das Alter der Rebstöcke sind es nur
gerade 1500 bis 2500 Flaschen.
Wie bestimmen Sie den Stil des Weins?
Ich gehe dabei genauso vor wie bei allen anderen Weinen, die
Winzer für mich abfüllen. Um mir einen Überblick zu verschaffen, teste ich immer die besten Gewächse aus der Region.
Habe ich Weine oder bestimmte Eigenschaften gefunden, die
meinem Geschmack entsprechen, versuche ich, meine Wünsche auf Basis dieser Beispiele zu formulieren.
Das Resultat hat seinen Preis. Der Wein Ihres
Priorat-Weinguts kostet immerhin rund 150 Franken.
Für Spitzenweine im Priorat bezahlt man in der Regel um die
300 Franken – da sind wir also noch einigermassen vernünftig
unterwegs. Die besten Kunden der Selection Schwander erhalten jeweils ein Angebot, können aber maximal drei Flaschen
beziehen. Und man muss sich schnell entscheiden; der letzte
Jahrgang verkaufte sich innert zwei Tagen.
Welche Trends sehen Sie beim Champagner, abgesehen
von dem Hype um Rosé-Champagner?
Rosé-Champagner ist in Mode, in der Tat. Daneben haben die
Preise der Cuvées de prestige, wie zum Beispiel Roederer Cristal, deutlich angezogen. Ein anderer Trend, der seit längerem
besteht, ist die Emanzipation der Winzer von den berühmten
Champagnermarken. Viele liefern ihr Traubengut nicht mehr
zur Gänze den Handelshäusern, sondern produzieren jetzt
ihre eigenen Champagner, die teilweise von hervorragender
Qualität sind. Diese Produkte sind denn auch sehr gefragt, da
zahlreiche Weinfreunde darin eine willkommene Abwechslung zu den bekannten Brands sehen.
Naturweine sind aktuell sehr beliebt, im Angebot
der Selection Schwander sind allerdings keine zu finden.
Warum sperren Sie sich gegen diesen Trend?
Viele dieser Erzeugnisse sind schlicht fehlerhaft und riechen
beispielsweise nach Sauerkraut. Häufig ist unter anderem ihr
Histamingehalt aufgrund der tiefen Schwefelwerte zu hoch.
Das führt dazu, dass die Weine schneller verderben und eher
Kopfschmerzen verursachen – also genau das Gegenteil eines
bekömmlichen Weins bewirken.
Es gibt keine guten Naturweine?
Selbstverständlich gibt es auch sehr gute Naturweine, aber die
sind selten. Mittlerweile führen wir viele Bioweine im Programm. Allerdings nicht deshalb, weil sie aus biologischem
Anbau stammen, sondern einfach, weil sie eine hohe Qualität
haben. «Naturwein» hingegen ist ein nicht geschützter Begriff,
mit dem leider viel Schindluder getrieben wird. Damit werden
nicht selten ahnungslose Konsumentinnen und Konsumenten
über den Tisch gezogen.
Sollte biologischer Anbau heute nicht
Standard sein?
Die Idee des Bioanbaus ist hervorragend und hat wesentlich
zu einer verantwortungsvollen Produktion beigetragen. Leider
sind die Anforderungen vieler Biolabel sehr dogmatisch und
lassen für schwierige Jahre zu wenig Freiraum. Auch stellt sich
die Frage, wieso beispielsweise Kupfer biologisch ist und andere Stoffe nicht. Kupfer ist ein Schwermetall und belastet die
Böden enorm. Vergessen wird auch, dass die Mengen an Pflanzenschutz, die heute ausgebracht werden, um ein Vielfaches
tiefer liegen als noch vor wenigen Jahren. Man muss sich zudem vor Augen halten, dass kein Winzer daran interessiert ist,
über Gebühr Pflanzenschutzmittel zu versprühen: Diese Produkte kosten viel Geld und die Ausbringung birgt immer ein
gewisses Risiko. Entscheidend ist nicht zuletzt auch das Klima:
Ist es sehr trocken, kann man ohne Anstrengung einen Biowein produzieren. Mein Priorat ist nicht biozertifiziert, aber
aufgrund des niederschlagsarmen Klimas komplett rückstandsfrei; im Rebberg müssen wir in den meisten Jahren nicht
einmal Kupfer spritzen.