Wein für den Dichter - Weltwoche 18.24

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«Auf alles gefasst sein», heisst es in einem der wenigen Gedichte von Friedrich Dürrenmatt, «darum sammle ich die Weine/rauche ich die braunen getrockneten /Blätter/ Vergänglichkeiten/nur das Nichtige hat/ Bestand.»

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Peter Rüedi / WEIN, Illustrationen: Jonathan Nemeth

Château de La Riviere «Dürrenmatt» 2018. Spezialabfüllung Fronsac AC 14,5%. Selection Schwander, Zürich. Fr. 18.90 (ab 1. Juli: Fr. 21.-). www.selection-schwander.ch

Weine für den Dichter

Auf seinen Nachruhm angesprochen, brach Dürrenmatt regelmässig in sein breites bernisches Gelächter aus. Dass sein Konter-fei mehr als dreissig Jahre nach seinem Tod die Etikette eines Weins zieren sollte, hätte ihn freilich zu Lebzeiten belustigt: dass seine Famaals der bekannteste Bordeaux-Trinker der Nation sich als so dauerhaft erweisen sollte wie sein Werk. Obwohl: Dass er in Neuchâtel auf dem wenn nicht umfangreichsten, so doch berühmtesten Weinkeller der Schweiz sass, war ihm schon bewusst. Kurz: Dass Philipp Schwander ihm 2021 aus Anlass seines 100. Geburtstags die Spezialausgabe 88 eines beachtlichen, wenn auch aus der eher übersehenen Appellation Fronsac stammenden Bordeaux widmete, lag nicht ganz fern, wenn auch Dürrenmatts Vorliebe ab dem Welterfolg von «Der Besuch der alten Dame» eher grossen Formaten und weltberühmten Etiketten galt als einem Bordeaux solcher Provenienz. Als Geheimtipp hätte er diesen Chäteau de La Riviere trotz seines verdächtig bescheidenen Preises zweifellos geschätzt. Dafür verstand er von gutem Bordeaux zu viel.

Jetzt hat Schwander also, spezialisiert auf Substanz zu erträglichen Preisen und mithin auf Entdeckungen, auf Wunsch seiner Kundschaft nach einem zweiten Dürrenmatt-Wein bei Hannes Binder eine Etikette für einen weiteren Chäteau La Riviere «Dürrenmatt» in Auftrag gegeben. Der Wein ist sub specie aeternitatis gewiss eine «Vergänglichkeit», aber ebenso gewiss nicht «nichtig». In der Version aus dem trockenen, heissen Jahr 2018 ist er locker noch zehn weitere Jahre haltbar, dabei, als Cuvee aus 80 Prozent Merlot und einem Rest Cabernet franc und Cabernet Sauvignon, schon wunderbar zugänglich: diskret im rot- und schwarzbeerigen Bouquet (reife Kirschen, Cassis etc.), keinesfalls ein Ranschmeisser, sondern ein Versprechen, das sich mit jedem Schluck aufs Neue vertieft, verlängert, übertrifft.

Die Weine von Fronsac waren im 18. Jahrhundert noch höher geschätzt als die aus den östlich benachbarten Appellationen Saint-Emilion oder Pomerol. Der Niedergang setzte mit der Reblauskatastrophe und deren Folgen ein. In der relativ kleinen Appellation ist «Chäteau de la Riviere» die imposanteste Adresse, ein veritables Chäteau mit gigantischen Kellereien (ein dürrenmattsches Labyrinth von insgesamt 25 Kilometern Länge!) und Rebbergen von 68 Hektar. Die Spezialedition ist ein Wein, der den Dichter ehrt. Und umgekehrt. Und zweifellos ist sie ein Champion im Verhältnis Preis-Genuss.

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Peter Rüedi / WEIN, Illustrationen: Jonathan Nemeth

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