«Nibbio», Vino Rosso, Selection Schwander (rot)

Es ist brütend heiss, als wir dieses Jahr dem Weingut Ghisolfi, unweit von Monforte d’Alba, einen Besuch abstatten. Um uns keinen Sonnenstich einzufangen, verkürzen wir den Rundgang im Weingarten und machen es uns schon bald im kühlen Degustationsraum bequem. Gianmarco bemerkt nachdenklich: «Das Piemont hat sich stark verändert. Noch vor vierzig Jahren waren hier alle Bauern arm. Durch die enormen Preissteigerungen der Weine sind viele von ihnen plötzlich zu grossen Vermögen gekommen. Den meisten ist das Ganze leider in den Kopf gestiegen. Auch die ursprünglich kräftige, herzhafte Piemonteser Küche ist in zahlreichen Restaurants zu einem Chichi-Theater verkommen, das nur noch wenig mit dem Original gemein hat. Die Antithese zu diesem ganzen Zirkus ist mein Vater. Mit seinen über achtzig Jahren hat er noch bis letztes Jahr voll im Rebberg gearbeitet und lebt genauso bescheiden wie als junger Mann. Davor ziehe ich meinen Hut!»

Natürlich hat es auch seine Vorteile, wenn die Winzer in der Region gut verdienen. So hat Gianmarco in den vergangenen Jahren seine Kellerei Schritt für Schritt ausbauen und modernisieren können. «Ich kann viel präziser arbeiten als früher», erklärt er. «Dadurch hat sich die Qualität der Weine verbessert.» Freudestrahlend präsentiert er uns seinen 2016er Barolo: «2016 war ein grandioses Jahr – ich hätte die dreifache Menge des Bricco Visette Barolo verkaufen können! Und endlich habe ich auch wieder die Spezialfüllung «Nibbio» für euch zusammengestellt. Sie ist hervorragend gelungen!» Wir können ihm nur beipflichten. Der Barolo 2016 ist superbe: konzentriert, aber von grosser Eleganz und Struktur, mit reifen Tanninen, sehr lang und mit anhaltendem Abgang. Dieser Wein hat alles, was man sich von einem grossen Barolo wünscht. Und der ‹Nibbio›, der zu gut der Hälfte aus deklassiertem Barolo besteht, ist ideal für den Piemont-Fan, der nicht bereit ist, die teilweise prohibitiv hohen Barolo-Preise zu entrichten.

Zum Abendessen im herrlich bodenständigen Ristorante Violetta in Calamandrana verspätet sich Gianmarco. Bei der Ankunft entschuldigt er sich: «Ich habe mich verfahren. Normalerweise gehe ich nicht in diese Gegend. Für mich liegt das am anderen Ende Welt…» Wir lieben dieses einfache Lokal, wo die über neunzig (!) Jahre alte Chefin Maria Lovisolo bis vor kurzem immer noch jeden Tag selber in der Küche stand. Wer die ursprüngliche, einfache piemontesische Küche schätzt, sollte hier unbedingt vorbeischauen!